Wenn ich auf meinen Balkon trete oder auch nur aus meinem Fenster blicke, dann habe ich direkt ein richtiges Wunder der Natur vor Augen. Und nein, ich meine nicht den majestätischen Baobab und auch nicht die Weite des indischen Ozeans. Sondern: den Bambus.
Ein Meterhoher Busch aus Rohren. Dünn und hohl. Beides eigentlich keine Eigenschaften, die für Stabilität und Widerstandskraft sprechen. Und doch trotzt diese Konstruktion Gottes jeder noch so heftigen Windböe, jedem noch so starken Regenguss. Die Bambusrohre dünn und hohl wie sie sind, sie biegen elastisch, ducken sich nach unten oder zur Seite weg. Weder Wind noch Regen kriegen sie so richtig zu fassen. Und nach dem Sturm richten sie sich stolz wieder auf. Während die Palme nebendran ihre zerrupften und gebrochenen Wedel hängen lässt.
Vielleicht ist die Palme neidisch auf den Bambus. Hin und wieder jedenfalls lässt sie eine ihre schweren Kokosnüsse fallen. Ganz gezielt, genau dahin, wo ein Bambusrohr gerade in ihrem geriffelten Stamm festhängt. Das unachtsame Rohr wird mit voller Wucht getroffen.
Es bricht.
Auch wir Menschen sind eine geniale Konstruktion Gottes. Wie dem Bambusrohr hat der Schöpfer auch uns starke Kraft und Widerstandsfähigkeit verliehen. Egal wie klein und zerbrechlich wir erscheinen mögen. Unsere Seelen tragen ein großes Maß an innerlicher Kraft, wir haben die Fähigkeit uns anzupassen und oft auch den Mut uns gegen den Wind zu stellen. Oft werden wir in alle möglichen Richtungen gedrückt und gebogen und doch zerbrechen wir nicht. Immer wieder richten wir uns auf. Bis uns ein heftiger Schlag trifft und wir einen Knacks bekommen.
„Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.“ (Jesaja 42,3a)
Dieses Versprechen Gottes gibt der aktuelle Wochenspruch an uns weiter.
Gott der Schöpfer hat uns nicht nur mit Kraft, sondern auch mit einem Sinn für unser Leben ausgestattet. Wie eine Kerze sollen wir Licht in die Welt tragen.
Jesus sagt in der Bergpredigt: „Ihr seid das Licht der Welt.“
Eine Kerzenflamme hat großes Potenzial. Sie kann ein größeres Feuer entfachen.
Eine Kerzenflamme ist aber auch fragil. Ein kleiner Hauch reicht aus um sie auf ein winziges Glimmen zu reduzieren, welches allzu bald dann ganz verlischt.
„Das geknickte Rohr“ und „der glimmende Docht“ sind Bilder dafür, wie die Lebenskraft und die Bestimmung, die Gott in uns hineingelegt hat, auch Schaden nehmen kann. Das kommt nicht einfach so, nicht einfach von selbst, sondern es braucht schon eine Macht- und Gewalteinwirkung von außen. Ein Knick im Bambusrohr ist ein bleibender Schaden. Ein nur noch glimmender Docht kann sich nicht von alleine wider entzünden. Er braucht Hilfe von außen.
Der Wochenspruch zeigt uns die Welt so wie sie ist. Wir Menschen kriegen viele Schläge ab in unserem Leben und manchmal ist einer so heftig, dass er uns von den Beinen holt. Wir alle tragen Narben. Manche sichtbar, manche unsichtbar.
Was Gott uns aber verspricht, ist, dass dies nicht unser Ende bedeutet!
Über ein Bambusrohr verteilt sind viele kleine „Gelenke“. Knickt das Rohr an einer Stelle ein, werden die Gelenke darunter aktiv und generieren neues Wachstum. So kommen neue, heile Fasern an der Knickstelle an und stabilisieren sie. Das Rohr richtet sich nach und nach wieder auf.
Bei Gott ist die Quelle des Lebens. Von ihm bekommen wir die Kraft uns immer wieder aufzurichten.
Und der Kerzendocht? Jesus sagt auch: „Ich bin das Licht des Lebens.“
Wenn wir ausgebrannt sind und nur noch schwach glimmen, dann können wir uns an Jesus neu entzünden. Und wenn wir noch einen kleinen Moment brauchen, ehe wir wieder bereit sind selbst zu scheinen, dann scheint Jesus für uns und sorgt dafür, dass die Finsternis uns nicht verschlingt.
Was für ein wundervollen Versprechen, für diese Woche und für unser ganzes Leben! Amen.
Eine gesegnete Woche wünscht euch, eure Pfarrerin Anne Mika.