Das Kirchenjahr neigt sich seinem Ende entgegen. Für viele geht schon jetzt der Blick voraus. Auf Weihnachten. Man fängt an zu planen. Wo wird man in diesem Jahr sein, mit wem wird man feiern?
Schade, finde ich. Denn das Ende des Kirchenjahres hat seine ganz eigene besondere Kraft.
Es ist die Kraft des Rückblickes. Der Moment der Aufrichtigkeit vor sich selber.
„Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi,“
So lautet der Bibelvers für die vergangene Woche aus dem 2. Brief des Paulus an die Korinther, Kapitel 5 Vers 10a. Wenn ein Vers mit 10a benannt ist, dann will ich immer gleich wissen was es denn bitte unter 10b zu lesen gibt. Also:
„auf dass ein jeder empfange nach dem, was er getan hat im Leib, sei es gut oder böse.“
Nun, ich wollte es ja unbedingt wissen...
Für viele, die mit ihrem Glauben oder mit der Kirche als Institution auf Kriegsfuß stehen ist es eines der stärksten Argumente: Christen müssen immer ein schlechtes Gewissen haben. Sie machen sich klein, bereuen und büßen für jeden noch so kleinen Fehltritt.
Ich sage: Wer so redet, hat nicht genau hingeschaut.
„Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, auf dass ein jeder empfange nach dem, was er getan hat im Leib, sei es gut oder böse.“
Ja, Christen glauben daran, dass sie für ihr Verhalten in dieser Welt Verantwortung tragen. Wir sind von Gott geschaffen um uns in dieser Welt unseren Lebensraum zu gestalten.
Dabei machen wir Fehler.
Aber!
Dabei tun wir auch Gutes.
Christus sieht beides. Er nagelt uns nicht fest auf unsere Fehler. Er feiert auch unsere guten Seiten. Jesus Christus richtet die Menschen auf. Er will eben gerade nicht, dass sie sich klein machen. Bereuen. Ja. Denn das tut ein gutes und aufrichtiges Herz nun einmal, wenn es etwas schlimmes angestellt hat.
Büßen. Ja. Wenn es dem weiteren Leben dient. Also einen echten Ausgleich schafft für erlittenes Leid. Wenn es Versöhnung schaffen kann mit der/dem Nächsten oder sich selbst.
Aber niemals sollen wir bei der Reue oder der Buße stehen bleiben! Denn Christus hat uns in seine Nachfolge gerufen und das ist ein beständiges „auf dem Weg sein“. Stehen zu bleiben ist dabei gar nicht vorgesehen. Mit einem schlechten Gewissen zu leben ist hart. Manche vergraben sich richtig in ihrer Scham. Verlieren jegliche Achtung vor sich selber. Das will Christus nicht. Er macht uns frei zum Leben! Er sagt: Aufgepasst! Ich nehme eure Schuld auf mich. Ertrage jegliche Strafe, die es dafür zu ertragen gibt. Damit ihr weiterleben könnt. Ohne schlechtes Gewissen. Ohne Scham. Ihr sollt weiterleben, damit ihr all das Gute tun könnt, zu dem ihr fähig seid!
Das ist das Evangelium. Die frohe Botschaft an die das Kreuz uns erinnert.
Bereut, wenn ihr etwas schlimmes angestellt habt und tut Buße insofern es dem Leben dient. Aber um Gottes Willen, um Christi Willen, bleibt nicht dabei stehen.
Denn: „Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi,“
Und dort werden wir eben nicht nur gefragt werden, was wir verbockt haben in unserem Leben. Wir werden vor allem einmal gefragt werden, was wir allen Gutes getan haben.
Es ist die Kraft des Rückblickes. Der Moment der Aufrichtigkeit vor sich selber.
Das Kirchenjahr neigt sich seinem Ende entgegen. Nehmen wir dieses Ende doch bewusst war. Die Verantwortung und die Befreiung, die darin stecken. Amen.
Eine gesegnete Woche wünscht euch, eure Pfarrerin Anne Mika.