Ein Gast zu sein hat seine Vorteile. Im Deutschen heißt es ja auch das „Gastrecht“ haben.
Wer das Gastrecht hat wird bevorzugt behandelt. Bei uns zu Hause hieß das:
Es wird ein besonderes Essen gekocht. Wenn bekannt, dann nach Möglichkeit sogar die Leibspeise des Gastes. Oft gibt es Kuchen, mit Schlagsahne! Für einen Gast wird das Haus hergerichtet. Es wird aufgeräumt und geputzt, ein Bett frisch bezogen und saubere Handtücher bereit gelegt.
Für einen Gast wird ein besonderes Programm geplant. Man macht Ausflüge etc.
Das klingt doch alles super, oder?
Aber ehrlich gesagt, wenn ich selber wo zu Gast bin, dann fühlt sich das oft komisch an.
Dann möchte ich nicht diejenige sein, für die eine extra Wurst gebraten wird. Dann blicke ich besorgt nach unten auf blankgeputzte Böden und weiß, gleich werde ich diejenige sein, die wieder den ersten Dreck darauf trägt. Nach dem Essen möchte ich am Liebsten aufspringen und meinen Teller in die Küche tragen. Und ich helfe auch wirklich gerne beim Abwasch. Ich kann mich nicht einfach entspannen, wenn meine Gastgeber noch am rotieren sind, nur um für mich alles perfekt zu gestalten. Ungern mache ich Umstände.
Irgendwo habe ich einmal den Spruch gelesen:
„Gäste sind wie Fisch. Am dritten Tage beginnen sie zu stinken.“
Das klingt hart, aber es steckt ein wahrer Kern darin. Denn versetzt man sich einmal in die Lage des Gastgebers, dann ist es einfach anstrengend den Ausnahmezustand dauerhaft aufrecht zu erhalten.
Wenn ein Gast also länger bleibt, dann muss er/sie sich einfügen in den normalen Tagesablauf. Muss mit anpacken bei den anfallenden Arbeiten und sich auch einmal selber versorgen können.
Das ist der Zustand, in dem ich mich dann erst so richtig wohlfühlen kann. Dann fühle ich mich nicht mehr wie ein Fremdkörper, sondern wie ein Teil, das einfach dazugehört. Je vertrauter mir die Menschen sind, die ich besuche, desto schneller wird dieser Zustand erreicht. Bei meinen wirklich guten Freunden beginnt er schon mit dem ersten Schritt durch die Wohnungstür. Da braucht es keine Anpassungsphase mehr. „Fühl dich wie zuhause!“ ist dann keine Floskel, sondern Wirklichkeit. Ein großartiges Gefühl! Spürbarer Segen!
So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.
So lautet der Wochenspruch aus dem Brief des Paulus an die Gemeinde in Ephesus, Kapitel 2 Vers 19.
Gott lädt uns ein zu sich ein. Nicht auf Zeit, nicht als Gäste oder gar Fremdlinge. Gott lädt uns ein und sagt: „Mein Zuhause ist dein Zuhause! Du bist hier kein Fremdkörper, sondern du gehörst hier dazu. Voll und ganz.“
Im Haus Gottes haben wir kein Gastrecht. Für uns wird nicht extra gekocht oder geputzt.
Bei Gott finden wir das Leben in seiner ganzen Fülle. Ja, auch manchmal mit seinen unschönen und anstrengenden Seiten. Wir haben dort die gleichen Rechte und Pflichten, wie jeder andere Christenmensch auch.
Im Haus Gottes haben wir kein Gastrecht. Im Haus Gottes haben wir ein Zuhause. Einen Ort an den wir immer einkehren können. Einen Ort zum Kraft sammeln und eine Ort um uns auszuheulen, wenn das mal nötig sein sollte. Ich finde, dass ist doch unendlich viel mehr wert. Ein großartiges Gefühl! Spürbarer Segen!
Amen.
Es wünscht euch eine gesegnete Woche, eure Pfarrerin Anne Mika.